Rechtsterroristischer Brandanschlag auf das Liverpool
Am 7. Januar 1984 verübte die neonazistische „Gruppe Ludwig“ einen verheerenden Brandanschlag auf die Diskothek Liverpool in der Schillerstraße 11a im Münchner Bahnhofsviertel. Bei dem Anschlag warfen die beiden Täter Benzinkanister in den Eingangsbereich und entzündeten die Flüssigkeit. Das Feuer breitete sich rasend schnell aus und verletzte zahlreiche Menschen. Die 20-jährige Corinna Tartarotti, die als Aushilfe an der Garderobe arbeitete, erlitt schwerste Verbrennungen, woran sie drei Monate später, am 27. April, verstarb. Ihr Grab befindet sich auf dem Friedhof Sendling.
Die Täter und ihre Ideologie
Die beiden Täter, junge Männer aus Verona mit deutscher bzw. italienischer Staatsangehörigkeit, gehörten zur „Gruppe Ludwig“. Die neonazistische Gruppe ermordete zwischen 1977 und 1984 mindestens 15 Menschen, meist aus Hass auf vermeintliche „Randgruppen“. Ihre Opfer waren insbesondere Homosexuelle, Sexarbeiter*innen, Obdachlose, Sinti*zze und Rom*nja sowie Menschen mit Behinderung. Das Bekennerschreiben, das die Täter nach dem Münchner Anschlag verschickten, offenbarte ihre menschenverachtende Ideologie: Sie sahen sich als Nationalsozialisten, die mit „Eisen und Feuer“ gegen die moderne „Dekadenz“ vorgehen wollten. Vieles über die „Gruppe Ludwig“ und ihre Opfer ist bis heute unbekannt. Public History München arbeitet gemeinsam mit Hinterbliebenen und Expert*innen an der historischen Aufarbeitung des Münchner Anschlags. Den Auftakt bildete ein interdisziplinäres Veranstaltungsprogramm zum 40. Jahrestag des Münchner Anschlags.
Die vergessene Tat
Der Anschlag verschwand rasch aus dem kollektiven Gedächtnis der Stadt. Verschiedene Aspekte trugen entscheidend dazu bei, wie die Veranstaltungsreihe im Jahr 2024 aufzeigen konnte: Eine maßgebliche Rolle spielten die bundesweite Verdrängung neonazistischer Gewalt in den 1980er Jahren und die mangelnde gesamtgesellschaftliche Solidarität mit den Todesopfern, die aus stigmatisierten und marginalisierten Milieus stammten. Dies führte auch zu Scham unter Angehörigen und Hinterbliebenen. Darüber hinaus wurden die Ermittlungen zeitnah nach Italien abgegeben. In München kam es zu keinem Gerichtsverfahren und entsprechend keiner ausführlichen Berichterstattung über die Hintergründe der Tat.
Erst 40 Jahre später wurde die Tat wieder ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Am Jahrestag 2024 entschuldigte sich die Stadt für das jahrzehntelange Vergessen. Vertreter der Politik, darunter Münchens Zweiter Bürgermeister Dominik Krause und Kulturstaatsministerin Claudia Roth, erinnerten an die Opfer und prangerten die gesellschaftliche Verdrängung rechter Gewalt an. Corinna Tartarottis Familie betonte im Rahmen des Gedenkens, wie wichtig das Erinnern ist, um den Opfern ihre Würde zurückzugeben und ein Zeichen gegen rechte Gewalt zu setzen.
Zivilgesellschaftliches Erinnern
Obwohl die Täter bereits 1987 in Italien zu langen Haftstrafen verurteilt wurden, blieb die Tat in München nahezu vergessen. Wichtige Initiativen wie die „Antisexistische Aktion München“ und das Aida-Archiv brachten die Erinnerung zurück: Sie recherchierten zum Anschlag, fanden Corinna Tartarottis Grab auf dem Sendlinger Friedhof, sicherten dessen Bestand durch Spenden und organisierten das erste öffentliche Gedenken an der Schillerstraße.
Die Stadt München beteiligte sich seit 2023 am Gedenktag und plante im Austausch mit Familienangehörigen und Aktivist*innen eine permanente Form der Erinnerung an der Schillerstraße 11a. Die Realisierung eines künstlerischen Murals an der Hausfassade des historischen Orts scheiterte jedoch an der letztlich nicht erfolgten Zustimmung des Hauseigentümers. Im Jahr 2025 setzt die Landeshauptstadt dort eine Gedenkstele. In deutscher und englischer Sprache wird Corinna Tartarotti und allen Betroffenen gedacht und an die Taten der rechtsterroristischen „Gruppe Ludwig“ erinnert. Weiterhin sucht das Kulturreferat München, Abteilung Public History nach Zeitzeug*innen.
Mahnung gegen rechte Gewalt
Die Geschichte des Brandanschlags auf die Diskothek Liverpool mahnt uns, rechter Gewalt entschlossen entgegenzutreten und ihre Opfer nicht zu vergessen. Bundeskulturstaatsministerin Claudia Roth warnte zum 40. Jahrestag 2024: „Zuerst kommt das Sagbare, dann das Machbare.“ Aktives Erinnern soll dazu beitragen, zu verhindern, dass solche Taten erneut geschehen. Die ist Stadt München übernahm Ende 2024 die Grabstätte Corinna Tartarottis als Gedenkgrab. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung des Gedenkens an die Opfer rechter Gewalt und soll als Zeichen der Solidarität der Landeshauptstadt München mit den Betroffenen dienen.